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Eine Tänzerin mit Queue

Bei Billard denken viele an die sprichwörtlich ruhig geschobene Kugel. Dass es sich dabei aber auch um einen Sport handelt, beweist Vladyslava Sakovych. Wie sie die Deutschen Jugendmeisterschaften erlebte.

Von Lucas Brüggemann Weser-Kurier

Billard bringt man meist nicht mit einem Sport, noch weniger mit einem Leistungssport für junge Menschen, in Verbindung. Vladyslava Sakovych bildet da eine Ausnahme. Die 15-Jährige ist im April mit ihren Eltern vor dem Krieg in der Ukraine geflohen und wohnt inzwischen im Bremer Umland. Sie ist außerdem das jüngste Mitglied im Bremer Billard Club und hat vor Kurzem zwei Titel bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im hessischen Bad Wildungen abgeräumt.

Zum Billard ist Vladyslava Sakovych über ihren Vater gekommen, erzählt sie. „Als ich geboren wurde, hat mein Vater gesagt, dass er mich eines Tages im Billard trainiert.“ Den Trainerjob hat der Vater allerdings an Thomas Berg vom Bremer Billard Club abgetreten. Dass Sakovych ausgerechnet beim Billard erfolgreich ist, war Anfangs nicht vorgezeichnet. Ihr sportliches Steckenpferd in der Ukraine war eigentlich das Tanzen. Mit ihrem Team war sie unter anderem auf Turnieren in Budapest. „In der Covid-Zeit fand kein Tanztraining statt, da habe ich viel mit meinem Vater Billard gespielt und das gefiel mir dann besser“, sagt sie. Nach der Schule habe sie oft in einer speziellen Billard-Akademie trainiert. Nachdem sie bei ihrem ersten Turnier in der Ukraine direkt den ersten Platz belegt habe, habe sie „Blut geleckt“, sei dabeigeblieben und habe das letzte Turnier in der Ukraine gewonnen.

„Wenn meine Mutter gesagt hat, dass ich meine Hausaufgaben machen soll, habe ich lieber mit meinem Vater Billard gespielt“,

erzählt Sakovych und lacht. Wegen ihres Weges vom Tanzen zum Billard nennt ihr Vater sie auch „Tänzerin mit Queue“.

Vladyslava (im Vordergrund) mit Vereinskameradin Olja

Ihre Zeit bei den Deutschen Jugendmeisterschaften beschreibt Sakovych mit einem Wort: „Crazy!“ Zu Beginn dachte sie, dass sie keine Chance auf einen Titel habe, erzählt die 15-Jährige. „Ich habe mir dann aber selbst gesagt, dass ich gewinnen will.“ Während der Meisterschaft habe sie viel Rückhalt aus dem Verein bekommen. „Viele haben mir geschrieben und Glückwünsche geschickt.“ Den Verein hat sie immer mit im Kopf gehabt, erzählt sie: „Ich habe immer gesagt, dass ich für den Bremer Billard Club spiele.“ Angetreten ist sie in den Disziplinen 8-Ball und 9-Ball, in denen sie Meisterin geworden ist, und 10-Ball, wo sie den dritten Platz belegt hat. Zuvor hat sie sich bei den Niedersachsenmeisterschaften für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert.

Um dort anzutreten, muss Sakovych, wie viele andere Sportler auch, trainieren. Das Training laufe in zwei Schritten ab: Zum einen bekomme sie von ihrem Trainer, Thomas Bolten ( Vizepräsident und Lehrwart vom Billard-Landesverband Niedersachen) , Übungen gestellt, bei denen die Kugeln auf dem Tisch in speziellen Anordnungen platziert werden, um so die richtigen Stöße zu trainieren. „Das ist vergleichbar mit Handball und Fußball. Da werden auch Spielzüge eingeübt, hier geht es um die richtige Queue-Führung und Körperhaltung“, erläutert Thomas Berg (Vorstand vom Bremer Billard Club). Der zweite Teil bestehe aus dem normalen Billardspiel. Der Einstieg im Bremer Billard Club sei zu Anfang nicht ganz leicht gewesen, sagt Vladislava Sakovych. „Hier in Deutschland war es zu Beginn für mich schwierig, zu verstehen, was ich machen sollte.“ Außerdem sei das Spielsystem in Deutschland ein wenig anders als in der Ukraine. Zusätzlich zu den drei in Deutschland gängigen Billard-Disziplinen spielt Sakovych noch das sogenannte Pyramid, auch als „russisches Billard“ bekannt. „Hier trainiert mich mein Vater“, sagt sie.